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Rad neu erfinden | Audi Deutschland
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Das Rad neu erfinden

Das Rad neu erfinden

Andreas Valencia Pollex ist Raddesigner. Er erfindet für die Elektromobilität das Rad für Audi neu – gestalterisch und aerodynamisch.

Interview: Bernd Zerelles – Foto: Robert Fischer Lesezeit: 6 min

Der Kunststoffeinleger des Audi Aerorades sieht aus wie ein Flügel.

Herr Valencia Pollex, Elektromobilität birgt besondere Anforderungen an Design und Aerodynamik. Einerseits kann Design neu gedacht werden. Andererseits werden die Räder größer, weil sie mehr Last tragen müssen. Große Räder sind aerodynamisch jedoch eine Herausforderung. Wie lösen Sie als Audi Designer dieses Problem?
In erster Linie ist ein Rad ein sicherheitsrelevantes Bauteil. Alle Kräfte, die ein Auto erzeugt, werden durch die Rad-Reifen-Konfiguration auf die Straße übertragen. Anders als ein Bauteil des Fahrwerks ist das Rad jedoch sichtbar nach außen. Wir Raddesigner_innen kreieren also etwas, was den technischen Anforderungen genügt und dennoch das Design des Fahrzeugs unterstreicht. Hinzu kommt: Beim Elektrofahrzeug ist die Energiebilanz entscheidend. Früher mussten Räder quasi nur Festigkeitsanforderungen gerecht werden. Heute entwickeln und designen wir konsequent intelligente Aeroräder, die möglichst effizient sind. Denn das hat einen großen Einfluss auf die Reichweite eines Elektrofahrzeugs.

Was zeichnet ein optimales Aerorad aus?
Das perfekte Zusammenspiel von Fahrzeugkörper, Reifen und Felge – und der Position des Rads im Radhaus. Für perfekte Aerodynamik benötigen wir eine gewisse Flächigkeit, damit die Luft, die von vorn auf das Auto trifft, ohne starke Verwirbelungen an der Seite um den Fahrzeugkörper herumgeleitet wird. Das Paradoxe dabei: Flächigkeit zu erzeugen ist beim Rad immer aufwendig. Eine geschlossene Fläche bedeutet mehr Material, und im Falle von Aluminium verursacht das einen gewissen Gewichtszuwachs. Daher verwenden wir bei den Rädern für den Audi e-tron GT quattro Kunststoff, um diese Flächen zu verschließen. So bleibt das Rad leicht. Ebenfalls wichtig: Wie überall in der Energiegleichung spielt die Geschwindigkeit eine große Rolle. Bereiche, die sich schnell bewegen, bewirken aerodynamisch mehr als Bereiche, die sich weniger schnell bewegen. Die Radmitte kann also vernachlässigt werden. Bei den äußeren Bereichen eines Aerorads hat man aerodynamisch eine große Hebelwirkung. Kurz gesagt: Es ist sehr komplex.

Porträt von Andreas Valencia Pollex.
Technische Animation der Speichen des Audi e-tron GT quattro Rades.

Warum setzen Sie nicht einfach eine flächige Radverblendung auf das Rad?
Die Erwartung unserer Kund_innen, ist absolute Funktionalität, aber eben auch kompromisslose Ästhetik. Bei Rädern wird platte, extreme Flächigkeit noch nicht als etwas Schönes akzeptiert. Unser Anspruch ist, eine Ästhetik zu finden, die die neue Art der elektrischen Mobilität transportiert und die Verbindung zur Erwartungshaltung unserer Kund_innen bewahrt. Man kann auch rein technisch gesehen keine komplett geschlossenen Räder einsetzen. Wenn man der Bremse keine Luft zum Atmen lässt, würde die Bremsflüssigkeit irgendwann beginnen zu kochen, was ein sicherheitsrelevantes Problem wäre. Es muss eine gewisse Belüftung geben. Aerodynamisch ist es uns beim Audi e-tron GT quattro* dennoch gelungen, eine Geometrie auszutarieren, bei der es keinen Unterschied mehr macht, ob die Luft über alle Winkel und Öffnungen hinwegstreicht oder ob die Fläche komplett geschlossen ist.

Die Luft wird durch die Öffnungen nicht verwirbelt?
Nein. Zusammen mit unseren Aerodynamiker_innen haben wir genau den Punkt gefunden, an dem die Bremse noch atmen kann und die Luft so gut geleitet strömt, als wäre die Fläche geschlossen. Die Luft kann in der Geschwindigkeit, in der sie das Rad durchströmt, nur so reagieren, wie die Physik es ihr vorgibt. Aerodynamisch ist dieses Rad des Audi e-tron GT quattro* absolut State of the Art.

Audi Raddesigner Andreas Valencia Pollex erklärt das Aerorad.

Das Grundgerüst des Aerorads ist weiterhin aus Aluminium? Kunststoff wird nur bei den Elementen der Verkleidung verwendet?
So ist es. Wenn man das Rad von innen betrachtet, erkennt man fünf gerade laufende Speichen, die größtmögliche Stabilität erzeugen. Das Material Aluminium ist weiterhin essenziell. Die technischen Eigenschaften von Aluminium wie Plastizität und Festigkeit verändern sich nicht. Aluminium ist auch widerstandsfähig gegenüber der großen Hitze, die die Bremse im Inneren des Rads erzeugt. Aber ein klassisch gestaltetes Fünf-Speichen-Rad hätte fast keine aerodynamische Wirksamkeit. Es stellte sich im Laufe der Entwicklung heraus, dass wir Kunststoffeinleger benutzen müssen, um die Fläche zu schließen. So wird das Rad besonders leicht. Beim Kunststoff wiederum war die Materialseite sehr interessant: Herauszufinden, welcher Kunststoff an welcher Stelle die Hitze der Bremse verträgt. Der Aufwand, ein so leichtes Rad zu gestalten, ist sehr groß und kaum zu vergleichen mit einem industrialisierten Aluminiumrad.

Blick nach innen auf die Fünf-Speichen-Felge.
Die Kunststoffeinleger im Detail

Wie sind Sie an das Design dieses Rades herangegangen?
Ein progressives Design war oberste Priorität. Man beginnt ein Rad zu skizzieren, das schon mit einer gewissen Flächigkeit spielt, damit sich nicht von vornherein große Fehler einschleichen. Aber dann war es das perfekte Zusammenspiel mit den Kolleg_innen der Fertigung, der Produktion und der Aerodynamik, das das Rad zu diesem Konstrukt entwickelte. Nur ein Beispiel: dieses zentrale zweiteilige Kunststoffteil, das die Flächigkeit erzeugt und wie ein Flügel aussieht. Zwei Bauteile werden aufeinandergesteckt und dann gemeinsam am Rad zu einer anderen Geometrie verschraubt. Wir wollten es unbedingt zweifarbig haben. Anfangs war der helle Teil aus Aluminium, aber das hatte zu viel Gewicht. Entsprechend mussten wir einen Kunststoff wählen – den wir wiederum mit Farbe lackierten. Wir wollten nicht versuchen, glanzgedrehtes Aluminium nachzuahmen. Die Präzision, die wir aufwenden, dieses Bauteil sowohl gestalterisch progressiv als auch konstruktiv haltbar in allen Fahrzuständen und bei allen Witterungsbedingungen umzusetzen, ist nur durch das Zusammenspiel aller Gewerke möglich.

Kunststoff spart also nicht nur Gewicht, sondern ermöglicht Ihnen als Designer auch neue Gestaltungsmöglichkeiten?
Mit der Verwendung von Kunststoff ergibt sich eine neue Dimension. Ich musste bei der Gestaltung von Rädern bisher physikalisch und konstruktiv bedingt immer gewisse Kantenradien berücksichtigen. Zeichne ich zu scharfe Kanten, konzentrieren sich die Kräfte dort, und ein Aluminium-Bauteil bricht auch genau dort. Das ist mit Kunststoff jetzt anders. Ich kann extrem präzise Details zeichnen wie Textur, was zuvor nicht möglich war. Und die Designabteilung „Colour and Trim“ stellte uns Lacke vor, die ich bis dato nicht kannte. Für uns Radgestalter_innen öffnet sich ein neues Universum.

Für uns Radgestalter_innen öffnet sich gerade ein neues Universum.

Andreas Valencia Pollex

Detailbild des Audi Aerorades.

Was zeigt die Audi DNA in diesem Raddesign?
Im Grunde genommen ist die Audi DNA in jedem Winkel des Rades zu finden. Jedes Detail strahlt Designqualität aus: die Straffheit, die exakte Auswahl der Winkel, die Ausgewogenheit von Linien, die zueinanderfinden über einen Radius. Der oder die designaffine Betrachtende wird diese Designqualität wiederfinden. Wer sich mit Design im Detail nicht auskennt, erfährt eine gewisse Ruhe, weil er oder sie nichts findet, was im negativen Sinne auffällt, aber vielleicht doch auffällt. Das ist Audi DNA. Das ist Designqualität. Zu der Zeit, als wir das Rad gestaltet haben, ging es darum, den Audi e-tron GT quattro* möglichst progressiv, elektrisch, modern und scharf geschnitten aussehen zu lassen. Das findet man alles in diesem Rad wieder.

Gesamtansicht des Audi e-tron GT quattro Aerorades.
Andreas Valencia Pollex hebt das Aerorad von einem Transportwagen.
 
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